Nachdem ich jetzt ein paar Mal vom schönen Leben auf dem (schweizer) Land geschwärmt habe stellt sich mir praktisch zwangsläufig die Frage :
"Wo lebt es sich eigentlich nachhaltiger:
in der Stadt oder
auf dem Land?"
So ganz spontan und ohne lange zu überlegen würde man jetzt wohl eher dem Landleben die Attribute der Nachhaltigkeit zuschreiben. Laut der UN sind die Städte weltweit tatsächlich für 75% aller CO2-Emissionen verantwortlich, sie verbrauchen mehr als 3/4 aller Ressourcen und sind für Milliarden Tonnen Müll verantwortlich. Aber natürlich leben dort auch wahnsinnig viele Menschen!
Also: kann man die Frage wirklich so einfach beantworten?
Ich hab da mal ein wenig recherchiert und mich zu den Themen Wohnen, Mobilität und Lifestyle schlau gemacht. Wenn ich hier Zahlen anführe, dann beziehen die sich auf die Schweiz; jeden Punkt auch noch mit andern Ländern zu vergleichen, würde den Rahmen hier wohl etwas sprengen....😁
Beim WOHNEN findet auch in der Schweiz eine Urbanisierung statt; 85% der Bevölkerung hier leben in der Stadt, 36% der Privathaushalte ausserdem in Wohneigentum. Dabei sind auf dem Land deutlich mehr grössere Wohnungen zu finden als in der Stadt. Grosse Wohnungen verbrauchen grundsätzlich mehr Ressourcen, sei es nun angefangen beim Erbauen über die Einrichtung bis hin zum Strom-, Öl- oder Gasverbrauch allgemein. Dafür wird in der Stadt mehr Boden versiegelt und zwischen den vielen, dicht stehenden und oft hohen (Alt)Bauten staut sich im Sommer die Hitze, sodass viel Strom zum Kühlen (Klimaanlagen, Ventilatoren) verwendet werden muss.
Das Wohneigentum ist in der Schweiz sehr unterschiedlich verteilt, es gibt ländliche Kantone mit sehr viel Wohneigentum und städtische mit sehr wenig, das kann sich aber auch genau umgedreht verhalten. Besitzer von Wohneigentum, sei es auf dem Land oder in der Stadt, haben die Möglichkeit, ihre Häuser/Wohnungen mit nachhaltiger Technik zu erstellen oder nachzurüsten (Wärmepumpen, Photovoltaik-, Wasseraufbereitungs- bzw. Wiederverwendungsanlagen etc.), was Mietern natürlich i.d.R. verwehrt bleibt.
Bei diesem Punkt lässt sich kein eindeutiger "Sieger" ausmachen.
🏡 1 : 1 🏢
Natürlich: auch dem Schweizer ist seine MOBILITÄT wichtig. Es gibt hier auf je 1000 Einwohner etwa 545 Autos, und 78% aller Haushalte besitzen einen fahrbaren Untersatz. Unbestritten ist es in der Stadt viel einfacher, mit dem ÖV von A nach B zu kommen, da sieht es auf dem Land manchmal echt mau aus (das kann ich aus eigener, leidvoller Erfahrung bestätigen...🥴) Deshalb wird auf dem Land häufiger und auf längeren Strecken das eigene Auto benutzt.
Als Stadtbewohner Auto zu fahren birgt einige Schwierigkeiten in sich: Dauerparkplätze sind Mangelware, man steht, besonders in den Stosszeiten, im Stau (was die Luft- und Lebensqualität erheblich beeinträchtigt!), und viele Städte denken inzwischen laut über Verbrenner-Verbote, Mauten oder gar autofreie Innenstädte nach - oder haben diese Ansinnen sogar schon in die Tat umgesetzt. Ungeachtet dessen besitzen in der CH rund 71% der Stadt- und 86% der Agglomerationshaushalte ein Auto.
Sehr erstaunt hat mich die Tatsache, dass trotzdem etwa 53% der Schweizer Bevölkerung über ein ÖV-Abonnement verfügen!
Tendenziell wird die Stadt in diesem Punkt die Nase im Rennen eher vorne haben.
🚴♀️ 2 : 1 🚗
Bleibt noch der LIFESTYLE.
Keine Frage: in der Stadt ist das Angebot an Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten, an Lieferdiensten und Restaurants erheblich höher, und es wird natürlich auch genutzt, was sich auf die CO2-Bilanz deutlich auswirkt. Dafür sind diese Angebote oft mit dem Fahrrad oder dem ÖV leicht zu erreichen. Und es gibt mit Sicherheit ungleich mehr Gelegenheiten, z.B. im Unverpackt-, Bio-, Fairtrade- oder Fairfashiongeschäft einzukaufen; dieses Angebot fehlt auf dem Land oft ganz oder ist nur sehr beschränkt vorhanden.
Dafür gibt es in ländlichen Regionen Hofläden, die regionalen Produkte finden den Weg auch zu den Detailhändlern im Ort, und wer Zeit und Lust hat und die Möglichkeit dazu, der kann sein Gemüse natürlich auch selber anbauen.
Ausserdem: in manchen Dörfern tun sich die Bewohner zusammen, um z.B. den von der Schliessung gefährdeten Dorfladen in Eigenregie weiterzuführen. So haben sie dann auch einen direkten Einfluss auf das Sortiment und können regionale Produkte berücksichtigen.
Beim Onlinehandel scheint es übrigens kein Stadt-Land-Gefälle zu geben; offenbar spielen da soziodemografische Faktoren eine grössere Rolle.
Mehr Konsum sorgt natürlich auch für immer noch mehr Abfall. In der Stadt stehen dafür logistisch ausgeklügelte Mülltrennungs-, Abhol- und manchmal sogar auch direkte Recyclingsysteme bereit. Aber das Land zieht nach; vielerorts gibt es grosse Ökohöfe, und in immer mehr Gemeinden sind z.B. elektrobetriebene Sammelfahrzeuge im Einsatz.
Übrigens: In Sachen Mülltrennung sind die Schweizer vorbildlich unterwegs; wir trennen 80 Prozent unseres Altpapiers, 83 Prozent der PET-Flaschen, 91 Prozent der Aludosen und sogar 97 Prozent des Altglases. Geht doch!
Um zum Thema zurückzukommen: Tendenziell sorgen die Landbewohner/innen mit ihrem Konsum also für eher weniger Belastung für die Umwelt.
🍎 2 : 2 🍟
So besehen scheint der Vergleich in einem Unentschieden zu enden. Aber natürliche ist die Sache viel zu komplex, als dass man sie in einer so kurzen "Analyse" zuverlässig beurteilen könnte.
Mein persönliches Fazit ausserdem: ein nachhaltiger Lebensstil hat wenig mit dem Wohnort, sondern viel mehr mit der individuellen Einstellung zu tun. Wer keine Verantwortung für das eigene Handeln und unsern Planeten übernehmen möchte, der tut das weder auf dem Land noch in der Stadt.